Interview Tanja Karmann
Wie ihr schon mitbekommen habt, gibt es für die Vampirausgabe eine Kooperation mit dem „Totenschein“. Mit Tanja Karmann haben wir zur Veröffentlichung auch ein kleines Interview geführt.
Wie bist du zum Schreiben gekommen?
Ein Klassiker! Als anständige Autorin müsste ich natürlich darauf antworten, dass ich schon als Kind davon geträumt habe, Bücher zu veröffentlichen. Tatsächlich war ich aber eher so etwas wie ein Spätzünder, vermutlich war ich vorher mit zu vielen anderen kreativen Dingen beschäftigt. Normal erzähle ich an dieser Stelle, wie mir die Idee zum „Mitternachtsladen“ gekommen ist – tatsächlich ist mir letztens aber bewusst geworden, dass meine Schreibanfänge ganz woanders liegen: Auf einer meiner Geburtstagsparties (es muss so um 2010 gewesen sein) habe ich einem damals kleinen Mädchen spontan eine Geschichte erzählt. Ein Freund von mir, damals schon sehr erfolgreicher Autor, zückte Stift und Notizbuch und begann, sich Notizen zu machen. Als ich spaßeshalber protestierte, packte er beides weg, aber ich musste versprechen, die Idee zu verfolgen. So entstand mein Einschlafbilderbuch „Zehn freche Schafe“, meine letztlich dritte Veröffentlichung.
Wie würdest du deinen Schreibstil charakterisieren?
Das lässt sich pauschal schwierig beantworten, da ich in vielen Genres und für verschiedene Altersgruppen schreibe. Eine Horrorstory für Erwachsene hat ganz andere Elemente als ein Mitmachbuch für Grundschüler:innen. Außerdem finde ich, dass Leser:innen das viel besser bewerten können, weil sie von außen auf den Text schauen. Was sich aber durch all meine Geschichten zieht (hoffentlich!), ist eine hohe Emotionalität. Ich will meine Leserinnen und Leser richtig mitleid… – ich meine natürlich, mitfiebern lassen. Wenn Kinder bei meinen Lesungen laut lachen ist das für mich das größte Lob, ebenso wenn mir jemand schreibt, er hätte bei der Lektüre geweint.
Was hast du zuletzt herausgebracht?
Das sind zwei sehr unterschiedliche Dinge: Zum einen die Kurzgeschichtensammlung „Von Geisterhäusern und Totenbriefen“, ein Sammelband mit allen bisherigen Stories aus dem „Totenschein“. Neben fünf Geschichten sind auch das Cover und die Innengestaltung von mir. Ein gänzlich anderes Projekt ist jetzt im Oktober erschienen, nämlich die Bilderbuchbroschüre „Kleine Menschen – große Gefühle. Kurzgeschichten über den Umgang mit Emotionen“, herausgebracht vom saarländischen Zaradiso Verlag und feinfühlig illustriert von Bettina Weyland.
Du veröffentlichst mit Carsten Schmitt den „Totenschein“. Erzähl ein bisschen über das Projekt.
Nur ein bisschen? Über dieses Thema könnte ich stundenlang reden! Es ist eines meiner absoluten Lieblingsprojekte, nicht zuletzt, weil ich mit Carsten einen absolut genialen partner-in-crime gefunden habe. Vereinfacht gesagt, ist der „Totenschein“ eine Zeitung, die wir gemeinsam herausgeben (sic! Eine tatsächliche Zeitung in einem absolut unhandlichen, aber hinreißenden Berliner Format). Darin veröffentlichen wir beide jeweils eine „Gruselgeschichte“, wie wir es nennen, also Stories, die irgendwo zwischen den alten Meistern und zeitgenössischen Autoren wie Uwe Voehl oder Thomas Olde Heuvelt angesiedelt sind und einen gewissen Gothic Touch haben, nie blutrünstig, aber gern verstörend. Es gibt mittlerweile fünf limitierte Ausgaben (die ersten drei sind ausverkauft) und den schon erwähnten Sammelband. Für uns ist der „Totenschein“ aber ein Konzept, das noch mehr umfasst, z.B. szenische Lesungen, bei denen wir auch fremde Texte vortragen. Neben unserem jährlichen Termin in der bakerstreetsb.de/event/lesung-totenschein haben wir schon in alten Mühlen und auf Friedhöfen gelesen, demnächst steht eine Lesung in den Homburger Schlossberghöhlen an. Außerdem wollen wir künftig weitere Medien einbeziehen und planen für die nächste Ausgabe des „Totenscheins“ (Oktober 2024) einen kleinen Relaunch.
Wie kommst du auf deine Texte, die im „Totenschein“ abgedruckt werden?
Das ist ganz unterschiedlich. Für die erste Ausgabe hat Carsten sich von einem Märchen inspirieren lassen, also habe ich es ihm gleich getan. Mit „Die drei Blutstropfen“ war die Figur meiner hellsichtigen Housesitterin geboren, an der ich so viel Freude hatte, dass ich sie für Ausgabe zwei nochmal ins Rennen geschickt habe. Bei einer anderen Geschichte habe ich mich von einer lokalen Sage inspirieren lassen, bei der aktuellen von einer wahren Begebenheit.
Wenn du an Vampire denkst, kommt dir auch eine Idee für den „Totenschein“?
Das Thema ist natürlich prädestiniert für den „Totenschein“ und ich selbst bin großer „Mainstream-Vampir-Fan“, bin also bekennendes Groupie von Coppolas Dracula, Spike und Eric Northman. Allerdings waren Carsten und ich uns einig, dass „unsere“ Vampirgeschichten einen gewissen Anspruch haben und keine Wiedererzählung der ewig gleichen Sichtweise sein sollten. Carsten hat mit „Briefe von Nina“ eine beängstigende, aber auch befreiende Geschichte über Energievampire geschrieben, ich selbst habe in „Fünf Lilien“ einer Nebenfigur aus meinen 20er-Jahre-Roman „Flapperblut“ (der Vampirroman, in dem das Wort „Vampir“ nicht vorkommt!) mehr Tiefe verliehen, was mir selbst ganz neue Erkenntnisse zu meinem eigenen Werk verschafft hat, eine große Freude!
Titelsong zur Geschichte war übrigens „Violets for a dead girl“ von Chamber – l’orchestre de chambre noir.