Interview Herausgeber Kai Focke & Sabine Frambach

Interview Herausgeber Kai Focke & Sabine Frambach

Hallo zusammen. 
Frisch ist die Anthologie „Campus 2049“ erschienen, der richtige Zeitpunkt die beiden Herausgeber zu interviewen.

Die Anthologie ist fertig. Zeit, ein Resümee zu ziehen. Hat euch die Bandbreite der geschichtlichen Ideen beeindruckt?

Sabine: Mich freut es besonders, dass sowohl interessante Innovationen als auch moralische und  ethische Fragen in den Texten vorhanden sind. Auch der Klang der Geschichten ist sehr unterschiedlich, es sind humoristische, skurrile, düstere und hoffnungsvolle Stimmen dabei, also die Vielfalt, die wir uns zuvor erhofft haben.

Kai: Man merkt den Geschichten an, dass diese – ohne pathetisch klingen zu wollen – mit Herzblut geschrieben worden sind. Dabei fand ich neben der Bandbreite der Geschichten auch deren Tiefe beeindruckend. Selbst die Geschichten, die eher humoristisch ausgelegt sind, behandeln oder tangieren Themen, denen man sicher nicht die Ernsthaftigkeit absprechen kann, zum Beispiel die digitale Existenz nach dem eigenen Leben und deren Grenzen. Neben den von Sabine genannten ethischen und moralischen Fragen geht es so auch um hochaktuelle, praktische Probleme wie Vereinsamung oder Drogenmissbrauch.

Welches Thema wurde besonders häufig für die Texte ausgewählt?

Sabine: Wenig überraschend beschäftigten sich sehr viele Texte mit KIs. Es ist das aktuellste Thema, KI-Systeme sind bereits stark in unserem Alltag eingebunden und werden unser Leben, unser Lernen und unsere Art, mit Wissen umzugehen, sicherlich massiv verändern. Angesichts der vielen Texte mit Bezug zu KI-Systemen waren wir froh, auch Geschichten mit an deren Schwerpunkten zu bekommen.

Kai: Ja, KI spielte zwar nicht in allen, doch in vielen Geschichte eine mehr oder minder starke Rolle. Wie Sabine schon sagte, hat uns dies nicht überrascht. Überraschend war jedoch, wie viele unterschiedliche Aspekte von KI innerhalb der einzelnen Geschichten bearbeitet wurden.

Wie empfandet ihr die anonymisierte Ausschreibung bei der Geschichtenauswahl?

Sabine: Ich bin sehr froh, dass ich die Texte anonymisiert bekommen habe. Wir sind Menschen, und obwohl ich nach Kriterien an die Texte herangegangen bin, würde ich vermutlich bei mir bereits bekannten Namen dadurch beeinflusst sein. Auf diese Weise hatten alle Texte vergleichbare Bedingungen. Im Austausch haben wir vor allen Dingen darauf geachtet, eine möglichst vielseitige Mischung zu bekommen. Hierdurch sind auch gute Texte auf der Strecke geblieben, da sie thematisch zu ähnlich waren.

Kai: Dem kann ich mich nur anschließen. Zwar würde ich mich, nicht zuletzt bedingt durch meine Tätigkeit im Hochschulbereich, in Sachen Beurteilung und Bewertung als objektiv bezeichnen, doch lässt sich eine letzte, unterbewusste Beeinflussung nie völlig ausschließen. Nicht ohne Grund sind beispielsweise Prüfungsleistungen soweit wie möglich anonymisiert. Selbiges galt bei der Geschichtenauswahl: Da ich nur den Text vor mir hatte, zählte dieser – und nur dieser.

Ich hab im Klappentext gesehen, dass ihr Innenillustrationen habt. Wie kam es dazu?

Sabine: Ursprünglich wollten wir keine Innenillustrationen. Oliver Bidlo, der Verleger, kam auf die Idee, ein Tool zu nutzen, um basierend auf den Geschichten Illustrationen zu erzeugen. Den Vorschlag fanden wir gut, nicht, weil die Abbildungen toll sind, sondern, weil sie zeigen, was solche Programme können und was nicht. Wir können problemlos erkennen, dass es sich um generierte Bilder handelt. Noch. Zugleich schaffen Menschen, die solche Tools für die eigene Kunst nutzen und sich damit auskennen, beeindruckende Ergebnisse. Wenn die Entwicklung sich so rasant fortsetzt, wird es immer schwieriger, erzeugte Bilder zu entlarven.

Kai: Dem ist nichts hinzuzufügen, außer unserem herzlichen Dank an Oliver Bidlo, für dessen Mühen!

Ich habe auch einen kurzen Blick auf sie werfen können. Wie wurden sie erstellt und welche Funktion haben sie?

Sabine: Die Illustrationen wurden mit einem KI-Generator auf der Basis eigener Schlagworte erzeugt. Der Versuch, zuvor ein weiteres Tool zu nutzen und die Geschichten von einem System zu verschlagworten, führte zu unbefriedigenden Ergebnissen. Selbst die von uns abgesprochenen Schlagwörter brachten überraschende Ergebnisse, darunter eines, das ausgetauscht wurde, weil es umstrittene Symbolik nutzte. Für mich dienen die Illustrationen dazu, das Thema KI und den aktuellen Stand der Leistungsfähigkeit zu zeigen.

Kai: Ja, es ist spannend zu sehen, wie eine KI die jeweilige Geschichte mithilfe der ihr zur Verfügung gestellten Schlagworte visualisiert. Diese Visualisierung lässt sich dann schön mit den Bildern vergleichen, die man selbst nach dem Lesen der Geschichte im Kopf erzeugt hat. Daher ist es uns wichtig gewesen, dass die Illustrationen nach und nicht vor den jeweiligen Geschichten in den Buchsatz eingefügt wurden. Als interessant empfand ich auch die von Sabine zuvor angesprochene Imperfektion. Beispielsweise lässt sich auf einer Illustration an der auf ihr abgebildeten Person eine seltsame Fingerstellung erkennen: Entweder leidet die bedauernswerte Person an einer krassen Fehlstellung ihrer Finger oder es müssen derer mehr als fünf sein. Ebenso eine Illustration, die eine Szene in der Hochschulmensa visualisiert, in der staubbedecktem Mobiliar vorkommt. Die von der KI generierten Staubberge erinnern hierbei eher an eine Wüstenlandschaft, als an einen Speisesaal. Wir haben uns bewusst für diese Illustrationen entschieden, um den – in Anführungszeichen – Blickwinkel der KI-Software und auch deren aktuellen Stand aufzuzeigen. Ein späterer Vergleich, vielleicht mit den technischen Möglichkeiten im Jahr 2049 wäre sicher aufschlussreich. Wobei ich vermute, dass wir nicht annähernd derart lange warten müssten, um deutlich verbesserte Darstellungen zu erhalten.

Wie geht es nach der Veröffentlichung weiter? Wo kann man euch treffen und in die Anthologie reinschnuppern?

Sabine: Mich trifft man am häufigsten in den Zügen der Deutschen Bahn. 😊 An der DHBW Mannheim wird die Anthologie am 10.10.24 vorgestellt.

Kai: Ja, die Vorstellung am 10.10.24 ist allerdings zunächst hochschulintern. Öffentliche Lesungen sind danach in und außerhalb Mannheims geplant. So haben wir uns um einen Leseslot auf dem BuchmesseCon, dem BuCon, am 19.10.24 beworben, ebenso um eine Lesung im Rahmen der Mannheimer Lichtmeile am 20.10.24. Allerdings laufen die dortige Auswahlprozesse noch. Über diese und weitere Lesungen werden wir auf der Anthologie Webseite mannheim.dhbw.de/campus2049 informieren.

Könnt ihr euch aufbauend zu dieser Anthologie Folgeprojekte vorstellen?

Sabine: Ein Projekt wie dieses macht unglaublich viel Freude, aber auch viel Arbeit. Da wir beide selbst schreiben, werden wir uns sicherlich nicht sofort wieder in ein Projekt stürzen. Zumal das Projekt nach der Veröffentlichung nicht beendet ist, sondern die Anthologie noch an der einen oder anderen Stelle vorgestellt wird. Auf jeden Fall freue ich mich, Campus 2049 bald in den Händen halten zu können.

Kai: Auch hier kann ich mich nur anschließen. Campus 2049 ist interessanter und lehrreicher gewesen als ich anfänglich vermutet hatte, aber auch deutlich arbeitsintensiver. Sicher gäbe es viele spannende Themen, die man nachfolgend mit Campus 2049 verknüpfen könnte. Doch zunächst gilt es, die Anthologie nicht nur innerhalb, sondern auch außerhalb der SF-Community bekannt zu machen.​

Für weitere Informationen schaut ihr hier vorbei:
https://www.mannheim.dhbw.de/campus2049

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