Interview Tino Falke

Interview Tino Falke

Hallo zusammen.
Schon ist ein Monat wieder vorbei und das nächste Interview steht in den Startlöchern. Dieses Mal haben wir Tino Falke zum Gespräch gebeten.

Neben den eigenen Texten bist du auch seit drei Jahren als Lektor unterwegs. Findest du, dass beide Bereiche der Literatur sich ergänzen? Oder hindert ein Lektorat deine eigene Kreativität?
Die Arbeit ist auf jeden Fall großartig dafür, sehr viele verschiedene Stile und Genres kennenzulernen. Neben Lektorat biete ich ja auch (vorwiegend) Korrektorat an, was genreunabhängig den gleichen Rechtschreib- und Grammatikregeln folgt, und so kommt mir auch einiges auf den Schreibtisch, was ich sonst vielleicht gar nicht lesen würde – und was ich auch ohne große Genrekenntnis problemlos bearbeiten kann. Aber bereichernd ist es auf jeden Fall!
Natürlich bediene ich mich nicht an Ideen meiner Kundschaft, aber wie beim privaten Lesen können die Texte anderer sehr inspirierend sein. Und ein kritischer Blick auf das Handwerk wird dadurch ja auch geschult, im Idealfall wende ich alles, was ich anderen vorschlage, auch selbst an.
Ein Hindernis ist es höchstens, wenn es nach stundenlanger Textarbeit am Bildschirm mal weniger verlockend ist, noch ein eigenes Dokument zu öffnen und sich weiter Geschichten zu widmen.
Abwechslung muss sein, und wenn der Brotjob der privaten Leidenschaft zu ähnlich ist, verdirbt am Ende noch das eine die Lust auf das andere.
Praktischerweise bin ich beim eigenen Schreiben eher nachtaktiv – nach einem Tag voll Lektorat passt also, wenn kein anderes Hobby lockt und noch Energie und Muße da ist, oft noch gut ein bisschen Werkeln an eigenen Projekten in die Abendstunden.


Wie kann man sich deinen Arbeitsalltag vorstellen?
Als selbstständiger Lektor bin ich zum Glück sehr flexibel, was meine Arbeitszeiten angeht, und wenn es die Auftragslage „erlaubt“, sind auch mal freie Tage zwischendrin möglich. Dafür bin ich allerdings auch oft genug an Wochenenden und Feiertagen beschäftigt, es gleicht sich gut aus. Wie viele Stunden Arbeit es pro Tag sind, hängt sehr von der konkreten Arbeit (Lektorat, Übersetzungslektorat, Korrektorat, Exposégutachten) und meiner Konzentration ab. Im Homeoffice habe ich zum Glück immer die Option, auch mal früh Feierabend zu machen, wenn ich merke, dass es besser ist, am nächsten Tag mit freierem Kopf weiterzumachen, und die Deadlines es erlauben.
Wenn ich kann, hat die Arbeit aber immer Vorrang. Meinen eigenen Projekten könnte ich mich sonst gar nicht ruhigen Gewissens widmen. Ganze „Schreibtage“ gibt es also eher nur, wenn dienstlich nichts Dringendes ansteht, was zuerst abgehakt werden sollte.
Dann heißt es: ablenkendes Internet aus, Handy in ein anderes Zimmer, zur Stimmung passende Musik an und Schreibdatei auf. Am besten, wenn keine Termine mehr anstehen und ich Open End schreiben kann, ohne von irgendwas rausgerissen zu werden.


Ich habe einmal gelesen, dass Lektoren sich auf einzelne Genres spezialisieren sollen, um die Feinheiten des Genres im Blick zu behalten. Wie stehst du dazu?
Da kann ich nur zustimmen! Wie erwähnt, ist es beim Korrektorat nicht unbedingt so. Kommaregeln und Dudenempfehlungen ändern sich ja nicht von Romance zu Thriller zu Kinderbuch. Wenn es um inhaltliche Arbeit geht, sollten Lektor*innen sich aber natürlich mit den Konventionen des zu bearbeitenden Genres auskennen – sei es, um genau die Erwartungen des Publikums zu erfüllen, oder sie kreativ zu brechen, und die Kundschaft professionell zu unterstützen, damit sie nicht an der Zielgruppe vorbeischreiben. Wenn es um Lektorat geht, würde ich deshalb natürlich auch nicht einfach jeden Auftrag annehmen. Ich bin auf die Phantastik spezialisiert, im Wesentlichen Fantasy, Science-Fiction und Horror, was sich auch mit meinen privaten Lesevorlieben deckt.

Was macht für dich ein gelungenes Lektorat aus?
Was mir sehr wichtig ist – sowohl, wenn ich lektoriere, als auch, wenn Texte von mir lektoriert werden –, ist eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe, bei der über alles geredet werden kann. Wenn​ ich Anmerkungen in einem Text hinterlasse, sind es immer nur Vorschläge, und die Autor*innen sollen und dürfen das letzte Wort haben. Für manche Änderungen argumentiere ich vielleicht vehementer und bemühe mich aufzuzeigen, was daran vielleicht von Vorteil für den Text ist. Aber es werden keine Textänderungen gegen den Willen derer erzwungen, deren Name am Ende auf dem Buch steht. Selbst beim Korrektorat hoffe ich natürlich, dass dudenkonforme Rechtschreibung angenommen wird, aber wenn eine bestimmte Schreibweise so gar nicht willkommen ist, bestehe ich auch nicht auf das Umsetzen des Korrekturvorschlags.
Als Autor habe ich es am Anfang meiner Veröffentlichungslaufbahn auch schon erlebt, dass in meinen Kurzgeschichten Stellen ohne Absprache geändert wurden (und ich kann bei manchen noch heute reinlesen und weiß genau, welchen Satz ich nie so formuliert hätte). Für mich ist das ein absolutes No-Go und ein Grund, nicht mehr miteinanderzuarbeiten. Transparenz und Kommunikation stehen an oberster Stelle.

Ich habe bei Instagram von deinem #ProjektExplosion gelesen. Kannst du darüber schon ein bisschen erzählen?
Aber gern! Beim #ProjektExplosion handelt es sich um einen Gaming-Abenteuer-Roman, im Grunde einen Liebesbrief an Videospiele in Form eines Buddy Road Trips zweier sehr unterschiedlicher Hauptfiguren.
Darin erwacht ein Teenage-Mädchen aus der echten Welt in einem Videospiel und muss mit ihrer digitalen Heldin Abenteuer erleben und ein mysteriöses Artefakt finden, Rätsel lösen und jede Menge Gefahren bewältigen. Trotz aller Gaming-Action steht aber die Entwicklung der beiden im Zentrum. Das schüchterne Mädchen ist alles andere als selbstsicher, die perfekte Abenteurerin ist unerwartet arrogant und will gar keinen Sidekick. Also müssen beide auf der Odyssee durch verschiedene Level mit sich selbst und miteinander klarkommen und versuchen, sich irgendwo in der Mitte zu treffen – bei Respekt und Teamwork. Außerdem wird die Heldin sehr bald damit konfrontiert, dass sie gar nicht real ist. Und eine Existenzkrise ist vielleicht nicht allzu praktisch, wenn man Mumien, Dinosaurier und Roboter bekämpfen muss. Wer „Tomb Raider“ und „Uncharted“ mag, wird viel Spaß haben, aber es gibt auch viele Anspielungen auf andere Spiele.
Und wie meine Testleser*innen mir versichert haben, ist es laienfreundlich und genauso mitreißend, wenn man sich eher wenig mit Videospielen auskennt.
Der Roman hat vor Kurzem eine Zusage bekommen und erscheint planmäßig 2026 im Verlag Alea Libris. Wer mir auf Social Media folgt, wird natürlich rechtzeitig erfahren, wenn es mehr Infos wie einen finalen Titel und ein festes Veröffentlichungsdatum gibt.

Bei den Schreiberlingen gibt es solche, die gerne in ihrem stillen Kämmerlein arbeiten, und solche, die sie gerne auf Messen präsentieren. Wozu zählst du dich und wo kann man dich in diesem Jahr treffen?
Das stille Kämmerlein weiß ich sehr zu schätzen, oft wäre es mir lieber, wenn meine Bücher ganz allein im Rampenlicht ständen, ohne dass ich mich auch dazu präsentieren muss. Aber auf Messen gehe ich trotzdem, vor allem, um all die tollen Menschen aus der Schreibcommunity zu treffen, mit denen ich sonst vorwiegend online Kontakt habe.
2025 bin ich auf jeden Fall wieder auf der Leipziger Buchmesse. Teilweise wird man mich am Stand der Münchner Schreiberlinge (Halle 3, Stand A403) finden können, wo es auch mehrere meiner Bücher gibt – von meinem düsteren Vergnügungspark-Drama „Crow Kingdom“ über die rasante Steampunk-Sammlung „Die Abenteuer von Pina Parasol“ bis zu meiner frischesten Veröffentlichung, der sehr schön illustrierten Fantasy-Novelle „Ein Lied für die Sommerlande“.
Im Herbst werde ich auch sicher wieder den BuCon in Dreieich besuchen, der parallel zur Frankfurter Buchmesse stattfindet. Als Phantastik-Szenetreff mag ich diese Messe sehr!​


Welches Buch hat den Ausschlag gegeben, dass du schreiben möchtest?
Ein einzelnes Buch lässt sich da schwer nennen, aber wie so viele bin ich durch „The Lord of the Rings“ zur Fantasy gekommen und bin für Mittelerde sehr nostalgisch geblieben. Mein nicht-phantastisches Debüt war allerdings mehr vom Minimalismus von Chuck Palahniuk inspiriert, von dem vor allem „Fight Club“ bekannt ist (ich empfehle aber auch sein „Survivor“ sehr, eins meiner Lieblingsbücher).
Spätere meiner Texte waren dann inspiriert von Amy Hempel, Kij Johnson, Edgar Allen Poe, Cassandra Khaw, Lewis Carroll, und wenn ich jemals etwas so Gutes schreibe wie „This Is How You Lose the Time War“ von Amal El-Mohtar und Max Gladstone, kann ich mich wohl zur Ruhe setzen. Es gibt also immer wieder neue Bücher, die mich inspirieren, neue Stile und Genres auszuprobieren und weiterzumachen. Es bleibt abwechslungsreich.


Ihr wollt mehr über Tino wissen oder auf dem Laufenden bleiben? Dann folgt ihm hier:

Webseite: https://www.tinofalke.de

Instagram: https://www.instagram.com/tino.falke/

Threads: https://www.threads.net/@tino.falke

Bluesky: https://bsky.app/profile/tinofalke.bsky.social


Foto: Tino Falke (privat)

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