Interview Oliver Bidlo
Heute steht uns Oliver Bidlo Rede und Antwort.
Wie bist du zum Schreiben gekommen?
Zum Schreiben bin ich erst durch das Studium gekommen. Über die klassischen Haus- und Seminararbeiten, dann Zwischenprüfung und später der Magisterarbeit. Sprich: Ich habe schon immer sach- und fachbuchorientiert geschrieben. Später dann auch etwas essayistischer. In diesem Kontext ist auch mein letzter Band „Der Ausbruch des Phantastischen“ entstanden. Ein Essay mit wissenschaftlichem Einschlag, das einen Blick auf den Einfluss der Phantastik auf die Gegenwart wirft.
Neben dem eigenen Schreiben hast du auch einen Verlag. Erzähl ein bisschen dazu, was dich dazu bewogen hat, einen eigenen Verlag zu gründen?
Ja, eigentlich sehr klassisch. Bücher spielten bei mir seit Jugendtagen eine wichtige Rolle. In erster Linie über das Lesen und hier alles, was man so in die Finger bekam und dann ab dem Studium auch verstärkt das Schreiben. Erst vor Kurzem ist mir doch tatsächlich ein „Buch“ in die Hände gefallen, das aus einer Projektwoche meiner damaligen Schule stammte. Ich war als 7. Klässler in diesem Bändchen mit einer „Geschichte“ beteiligt. Vor allem schaffte es der Lehrer, das ganze Repertoire der Buchproduktion einzubeziehen. Das Schreiben, das „Setzen“ sowie dann die Produktion und der Verkauf. Wir reden über die Mitte der 1980er Jahre, also alles noch weit entfernt von PCs, Drucker oder einem digitalen Austausch. Im Studium – ich habe u.a. Germanistik studiert – fand ich die alten, ersten Bücher rund um den Buchdruck – Inkunabel genannt – faszinierend, dazu das Schreiben (und Lesen). So lief eigentlich alles auf die Gründung eines Verlages hinaus. Nach meiner Promotion habe ich mir das nötige fachliche Wissen angeeignet und Ende Februar 2006 den Oldib-Verlag gegründet.
Schaut man sich das Programm des Verlages an, stellt man zum einen fest, dass es sehr breit aufgefächert ist und zum anderen viele Texte zum Thema Tolkien erschienen sind. Wie kam es zu der Mischung?
Mein erster Band, den ich selbst geschrieben hatte (2002), war ein Sachbuch zum Thema Tolkien und der mittelalterlichen Zahlenallegorese. Tolkien hat Zahlen – und auch einige Namen – nicht willkürlich ausgewählt, sondern darüber andere Geschichten verknüpft bzw. auf andere – historische – Erzählungen verwiesen. Über diesen Band habe ich viele neue Menschen und auch viele heutige Freunde kennengelernt. So war mir schnell klar, dass ein Bereich des Verlages sich Büchern widmen sollte, die sich mit Phantastik bzw. Fantasy aus einer wissenschaftlichen, philosophischen oder sprachlichen Weise auseinandersetzen. Dazu kamen und kommen überdies Fach- und Sachbücher aus dem Bereich der Kultur, Soziologie und allgemein den Geisteswissenschaften. Belletristik war zunächst nicht vorgesehen. Da ich viel im Hochschulbereich unterwegs bin, war klar das meine „natürliche“ Umgebung, aus der sich auch die allermeisten Autorinnen und Autoren rekrutierten. Aber wie es im Laufe der Zeit so ist, kam aus diesem Bereich auch zunehmend die Frage, ob wir nicht auch an Belletristik interessiert wären. Das Schöne an einem Independent-Verlag ist ja, dass man hier ganz einfach auch einmal „Ja“ sagen kann. So kamen also zwei Krimireihen dazu sowie dann – das war für mich irgendwie „logisch“ – phantastische Belletristik. Logisch deshalb, weil wir ja ohnehin Bücher publizierten, die sich inhaltlich und fachlich mit Fantasy und Phantastik als Oberbegriff auseinandersetzen. Warum also nicht gleich auch selbst mal Fantasy publizieren.
Würdest du sagen, dass Tolkien einer der Autoren ist, die dich am meisten inspiriert haben?Zumindest hinsichtlich der phantastischen Literatur. Hier steht Tolkien noch immer an einer besonderen Stelle. Tolkien hat aber nicht nur für die Belletristik unheimlich viel zu bieten, sondern eben auch für Felder der Literaturanalyse, Philosophie, Theologie, Hermeneutik oder allgemein der Sprachwissenschaft. Daher kreuzen sich in Tolkien eigentlich zwei meiner wesentlichen Interessen.
Wie kann man sich deinen „Autoren-/Verlegeralltag“ vorstellen?
Bleiben wir vielleicht beim Verlegeralltag. Ich finde ihn noch heute spannend. Kontakte mit den Autorinnen und Autoren halten, Bestellungen organisieren und abwickeln, die jeweils aktuellen Buchprojekte in den Prozess der Publikation bringen; das sind die täglichen Arbeiten. Vielleicht kommt mir zugute, dass ich neben den schöpferischen Anteilen einer solchen Arbeit zudem Freude an kaufmännischen und organisatorischen Sachen habe. Das ist ja nicht jedermanns Sache, zumal in kleineren Verlagen. Mir machen aber auch diese Dinge Freude, so dass ich täglich eine für mich interessante Mischung an Arbeit vorfinde. Es ist nur meist – da bin ich sicher nicht der Einzige – zu viel an Arbeit, die man sich auflädt.
Was sind deine aktuellen Projekte?
Im Verlag erscheint gerade ein etwas anderer „Reiseführer“ zu Südfrankreich: „Das ewige Blau. Streifzüge durch den Süden Frankreichs“. Ein sehr schönes Buch, das von Sylvia Lukassen, einer Journalistin, wunderschön geschrieben wurde. Zudem erscheint gerade eine Fortsetzung eines phantastischen Jugendbuches. Der erste Band „Somniavero“ von Anja Stürzer war preisgekrönt, die Fortsetzung – auch hier wird es wieder u.a. um Zeitreisen gehen – „Somniaveris“ ist wieder ein tolles Buch geworden und hoffentlich am Markt genauso erfolgreich. Darüber hinaus steht noch eine Science-Fiction Anthologie an sowie eine neue Ausgabe des „Hither Shore“, dem akademischen Jahrbuch der Deutschen Tolkien Gesellschaft, das es bereits seit Anfang der 2000er Jahre gibt und seit zwei Jahren nun bei uns erscheint.
Ich selbst plane gerade ein kurzes Sachbuch, besser Essay, über das „Denken im Hochformat“. Dort möchte ich den Spuren des „Hochformats“ nachgehen und schauen, warum es sich durchgesetzt hat und wie dieses (und ggf. auch andere) Buchformat auch unser Denken beeinflusst. Der kanadische Medientheoretiker Marshall McLuhan hat ja mit seinem Band und Ansatz „Das Medium ist die Botschaft“ (eigentlich „The Medium is the Massage“) schon früh auf die Wechselwirkung von Medium, Inhalt und Denken hingewiesen. Leider komme ich derzeit kaum zum Lesen, denn vor dem Schreiben steht immer das Lesen. Aber vielleicht schaffe ich es in den Sommermonaten, mich daran zusetzen.
Wie entscheidest du, ob ein Buch zu deiner Verlagsstruktur passt?
Hier sind es verschiedene Faktoren mit einer unterschiedlichen Gewichtung. Zum einen muss der Inhalt zu uns passen. Wir haben auch schon Skripte abgelehnt, weil wir der Meinung waren, dass wir dazu kaum den richtigen Adressatenkreis erreichen können. Der Inhalt muss uns natürlich ebenfalls gefallen, zumindest bei einem belletristischen Band. Bei Sach- oder Fachbüchern müssen Thema und Schreibe passen. Und dann, das spielt ebenfalls eine Rolle, müssen wir eine Chance auf Vermarktung und Verkauf sehen. Dazu gehört bei uns, dass die Autorinnen und Autoren auch selbst ein Maß an Eigeninitiative zeigen. Wir haben für jeden Band ein Marketingbudget, aber das ist verständlicherweise begrenzt. Mittlerweile veranstalten wir mitunter Wohnzimmerlesungen bei uns. Wir haben entsprechende Verlagsräume, wo das prima möglich ist und eine schöne Atmosphäre entsteht. Auch wenn die Größe überschaubar ist (10-20 Personen) ist das doch für ein Buch, die Autorinnen und Autoren sowie für das Verlagsprofil eine schöne Sache.