Interview Verleger Oliver Bidlo
Hallo zusammen.
Nachdem im letzten Monat die Anthologie „Campus 2049“ erschienen ist, haben wir neben den Herausgebern auch den Verleger Oliver Bidlo interviewt.
Die Hochschul-Anthologie „Campus 2049“ ist die erste SF-Anthologie in deinem Verlag. Siehst du das einmaliges Projekt?
Ja, das stimmt. Es ist die erste SF-Anthologie, passt aber perfekt in unser Programm. Und ich hoffe es wird nicht die letzte Anthologie bleiben. Tatsächlich ist es eine Überlegung auch von Seiten des Verlags selbst eine Anthologie im Bereich Fantasy und Science-Fiction über eine Ausschreibung anzustoßen.
Hast du dich als Hochschulprofessor in den Geschichten wiedergefunden?
Die Geschichten sind trotz ihrer Science-Fiction-Ausrichtung (es ist ja eine „nahe“ Science-Fiction) schon in Vielem nahe an dem, was tatsächlich in Zukunft passieren könnte. Es gibt viele Aufsätze, die auf KI abheben. Und hier wird ja schon an vielen Hochschulen und Universitäten intensiv darüber nachgedacht (auch sehr konkret in Arbeitsgruppen und Prüfungsordnungen), wie man KI einbinden, aber sich auch davor – im Rahmen von Prüfungsleistungen – „schützen“ kann. Damit wird eigentlich sehr offensiv umgegangen. Sprich: Man versucht KI einzubauen, Studierende in bestimmten Situationen (Recherche, Schreibblockaden usw.) konkret auch auf die Hilfe durch KI vorzubereiten. Aber immer mit dem Hinweis, dass das, was KI da schreibt auch falsch sein kann, dort (meist) Nachweise fehlen und die reine Übernahme von KI-Texten nicht im Sinne des „Erfinders“ ist.
Wie hat sich die Arbeit an der Anthologie von der Arbeit an deinen anderen Büchern unterschieden?
Die Arbeit hat unheimlich viel Freude gemacht, war aber auch herausfordernd. Die beiden HerausgeberInnen Kai Focke und Sabine Frambach haben ganz hervorragende Arbeit geleistet. Natürlich muss bei einem solchen Projekt viel besprochen und abgestimmt werden. Es waren viele Kommunikationskanäle, zwischen den beiden und uns, den Beitragenden (bzgl. Druckfahnen, Korrekturen und Versand der Belege), aber auch für einige Formalien die Kommunikation mit der Hochschule. So wurde – als ein Beispiel – für eine größere Anzahl von Exemplaren, die die Hochschule verschenken möchte, Banderolen produziert. Letztlich eine Kleinigkeit, die aber zusätzliche Abstimmung, was Layout, Corporate Design, Druck und Anbringung durch die Druckerei usw. erforderlich machte. Insgesamt hat alles sehr, sehr gut geklappt, was auch daran lag, dass die beiden HerausgeberInnen genug Zeit für alle Arbeitsschritte mit uns eingeplant haben.
Wie siehst du die Zukunft der Hochschule? Positiv oder negativ?
Oje, eine Frage, die einen interessanten und vielfältigen Punkt trifft. Steinalt bin ich ja noch nicht, kann aber schon gut knapp 20 Jahre als Dozent überschauen und dazu noch die Jahre als Student und Doktorand selbst. Bereits in dieser Zeit hat sich unheimlich viel verändert in den Abläufen, den Studierenden, den man gegenübersitzt, der Konzeption von Studiengängen usw. Wenn man nur einen Teil der Änderungen nimmt und auch der Zukunft diesen Wandel unterstellt, dann wird sich die Hochschule auch weiter wandeln. Manches wandelt sich zum Guten: So gibt es heute eine größere Bandbreite, was die Studierenden angeht. Während früher die allermeisten Studierenden direkt nach der Schule kamen, finden sich heute immer mehr Menschen in ganz unterschiedlichen Lebenslagen und mit sehr unterschiedlichen Biographien, die ein Studium beginnen. Das ändert – in meinen Augen zum Positiven – die Dynamik in den Studiengruppen. Ich denke das wird sich in Zukunft noch verstärken. Eine nicht so gute Veränderung betrifft das Lesen selbst. Es wird heute in der Breite nicht mehr so viel gelesen, wie es früher der Fall war. Längere Texte, also ganze Bücher, werden seltener gelesen, dafür gerne kürzere Texte oder Zusammenfassungen. Das aber ist -in wiss. Hinsicht – nicht gut, da es den Studierenden mitunter schwerer fällt, einem Gedankengang und einer Argumentationsentwicklung, der bzw. die sich über einen größeren Umfang aufbaut, zu folgen. Aber auch Lehrende selbst tragen dazu bei, wenn z.B. ein Fachbereich sich nicht mehr auf verpflichtend zu lesende Grundlagenliteratur einigen kann. Zu meiner Zeit gab es eine Liste von zu lesender Pflichtlektüre für das Grund- und das Hauptstudium, von der man nach dem Grund- wie nach dem Hauptstudium davon ausging, dass man diese auf jeden Fall gelesen hat, unabhängig von konkreten Seminaren. Das hatte den Vorteil, dass es eine grundlegende gemeinsame Kenntnisnahme über das Studienfach gab. Zu dieser Literatur konnten überdies immer auch Fragen gestellt oder Bezugnahmen erwartet werden (z.B. in Prüfungen, Referaten usw.).
Deine Affinität gilt in erster Linie der Phantastik und speziell dem Tolkien-Universum. Liest du selbst auch Science Fiction und wenn ja, was hat dich zuletzt beeindruckt?
Tatsächlich lese ich Science-Fiction eher selten (aber das kann sich alsbald ändern), dafür bin ich ein leidenschaftlicher Trekkie und schaue mir sehr gerne Science-Fiction Serien oder Filme an. Das mag vielleicht auch daran liegen, dass meine und unsere Zeit ja doch begrenzt ist und man kaum alles lesen kann, was man gerne lesen möchte. Neben universitären und fachbezogenen Aufsätzen und Büchern, die ja in schier unglaublichen Mengen neu erscheinen, kommen dann die Leidenschaft zur Fantasy und die verlagsspezifischen Bücher bzw. Skripte, die zu lesen sind. Da wäre eine gute Idee, so wie du das oben ja in deiner Frage bereits angedeutet hast, weitere Science-Fiction-Anthologien über den Verlag zu publizieren. Dann könnte ich das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden. Denn die Geschichten werden natürlich auch von mir intensiv gelesen.
Gehen wir 25 Jahre zurück: was würdest du deinem Hochschul- und deinem Herausgeber-Ich raten?
Oje, eine nicht ganz leichte, aber sehr spannende Frage. Ich denke ein Rat wäre, nicht immer alles zu verbissen zu sehen, nicht immer von der denkbar schlechtesten Situation auszugehen. So habe ich z.B. früher sehr oft viel zu viel Material für Veranstaltungen vorbereitet, um sicher zu gehen, dass ich bei keiner aktiven Teilnahme von Studierenden nicht irgendwann ohne Material dastehe. Das führte öfters einmal dazu, dass ich das Material auch unterbringen wollte und die (immer stattfindende) dazutretende Teilnahme der Studierenden dann mitunter zu einer Zeitnot führte. Dem Verleger- und dem Herausgeber-Ich würde ich ebenfalls den Hinweis geben, dass Flauten dazugehören, aber gute Manuskripte und Projekte, aus denen sodann Bücher werden, schlussendlich immer „eintrudeln“ und sich ergeben. Aber ich denke, das nennt man Erfahrung, die man über die Zeit machen muss.
Wenn du eine Geschichte beigesteuert hättest, welchen Themenbereich hättest du dir ausgesucht?
Tatsächlich war es eine Idee, dass auch ich eine Geschichte beitragen könnte. Ich habe schon seit längerer Zeit einen Plot dazu im Kopf, den ich über eine Kurzgeschichte vielleicht hätte einbringen können. Der Plot stammt aus meiner Beschäftigung des Themas „Der Ausbruch des Phantastischen“. Es geht um einen jungen Hochschuldozenten der Informatik, der unmerklich einer sich im Netz gebildeten künstlichen Intelligenz über den „Ausgang“ eines 3-D-Druckers zu einer physischen Form verhilft. Nachdem er vor dem Bildschirm bei einer seiner Programmierarbeiten für einen 3-Druck eingeschlafen ist, findet er am nächsten Morgen im 3-D-Drucker ein Objekt vor, das zwar physisch vorhanden ist, aber in den (bisherigen) Gesetzen der Physik keine Entsprechung findet. Naja, das wäre die Skizze der Geschichte. Aber ich hatte leider keine Zeit, weiter daran zu arbeiten. Denn parallel zu dieser tollen Science-Fiction-Anthologie haben wir die neue Ausgabe des Hither Shore (akademisches Jahrbuch der Deutschen Tolkien Gesellschaft) bearbeitet und publiziert. Das waren die beiden großen Projekte der letzten Monate, an denen wir besonders intensiv gearbeitet haben.