Interview Erin Lenaris

Interview Erin Lenaris

Hallo zusammen. Heute treffen wir eine alte Bekannte zum Gespräch, die gerade ihren Ring-Chroniken einen frischen Schliff gibt.

Vor ein paar Wochen hast du verkündet, dass die Ring-Chroniken neu veröffentlicht
werden? Wie kam es dazu?
Meine Trilogie ist 2019-20 beim Tagträumer-Verlag erschienen. Ich habe mich in der Tagträumer-Familie sehr wohl gefühlt, aber leider war der Kleinverlag letztlich nicht rentabel.
Eisermann Media hat ihn übernommen und gestaltet nun alle ehemaligen Tagträumer-Bücher neu. Für die Ring-Chroniken bedeutet das einen neuen Buchsatz und eine Sonderausgabe mit Farbschnitt. Die Neuauflage wird am 15.10. erscheinen.

Erzähl doch einmal, wie du auf die Ring-Chroniken gekommen bist.
Während einer Reise nach Los Angeles habe ich im März 2016 unter anderem das Getty Museum besucht. Dort gibt es einen Wunschbrunnen, in den man zur Bekräftigung seiner Wünsche Münzen werfen konnte – doch er lag aufgrund einer andauernden Dürre in Kalifornien trocken. Wenn schon in LA das Wasser knapp wird, fragte ich mich, wie sieht es dann erst anderswo aus? Und was wäre, wenn es in unseren Breitengraden gar nicht mehr regnen würde? Welche sozialen, wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Folgen hätte das? Meine Worldbuilding-Maschine lief an, und ich habe mir eine Wüstenwelt ausgedacht, wo Wasser, Reichtum und Macht auf dem Gebiet des heutigen Grönlands konzentriert sind.
Die Menschen sind von Wasserlieferungen aus dem hohen Norden abhängig und entsprechend anfällig für Ausbeutung. In dieses Setting habe ich eine Coming of Age-Geschichte mit leichten Fantasy-Elementen eingebaut. Die 16-jährige Protagonistin Emony spürt jede Lüge als heiße Stiche in ihren Ohren. Immer wenn der Vorsitzende des Wasser-und Energiemonopolisten öffentlich auftritt, brennen Emonys Ohren wie Feuer. Trotzdem beginnt sie eine Ausbildung bei diesem Konzern, denn nur so kann sie ihrer beengten Bunkersiedlung entkommen…

Hast du einen Lieblingscharakter?
Zu Beginn war das vor allem Kohen, Emonys Ausbilder. Wenn die Autorin den Love interest selbst nicht heiß findet, kann sie ihn nur schwer schreiben, oder? 😜 Mein Interesse an Kohen ging aber selbstverständlich über weiche Strähnen und kratzige Bartstoppeln hinaus. Wie findet ein gewissenhafter Mensch nach einem schwerwiegenden Fehler sein Selbstwertgefühl zurück? Wie kann er Wiedergutmachung leisten und sich selbst verzeihen? Auch das kann Kohen beantworten.
Als Nebenfigur mag ich vor allem Arkert, einen Pionier der Widerstandsbewegung, der vorzeitig gealtert ist. Arkert hütet ein düsteres Geheimnis, denn er brachte für seine Entscheidung, in den Untergrund zu gehen, ein größeres Opfer als Emony und Kohen es sich vorstellen können.

Der Literaturbetrieb ist sehr schnelllebig. Würdest du die Chroniken heute genauso
schreiben?

Ich bin zu dem Schluss gekommen, als Hobbyautorin nicht primär nach dem Markt und dem Mainstream schreiben zu wollen. Stattdessen möchte ich mich Geschichten widmen, für die ich wirklich brenne. Dieses viel beschworene „Herzblut“ spürt man hoffentlich beim Lesen.
Was ich heute anders machen würde, hängt also nicht an aktuellen Trends auf dem Buchmarkt, sondern an meiner persönlichen Entwicklung. Ich würde nach wie vor so detailliert plotten, wie ich es damals für die Ring-Chroniken getan habe, und meine Alltagsbeobachtungen systematisch nach Inspirationen absuchen. Allerdings habe ich in den letzten Jahren auch Erfahrungen gemacht, die meinen Blickwinkel verändert haben – ich bin Mutter geworden und habe eine Universitätsprofessur übernommen. Beim Lesen kann ich mich jetzt vor allem mit Frauenfiguren mittleren Alters identifizieren, doch sie sind gerade in der Fantasy stark unterrepräsentiert. Wenn sie überhaupt vorkommen sind sie meistens nur Randfiguren. Wenn ich heute einen Roman schreiben würde, wäre es daher keine Coming of Age-Geschichte mehr, sondern würde von starken Frauenfiguren mitten im Leben erzählen.

Zur Zeit hast du eine Schreibpause eingelegt. Was müsste passieren, damit du wieder zur
Tastatur greifst?
Oh, ich sitze auch jetzt noch so viel an der Tastatur, dass die Vokale schon ganz abgewetzt sind. Allerdings schreibe ich nur noch Fachartikel, Gutachten für Abschlussarbeiten und E-Mails… Die Professur fordert viele Arbeitsstunden – und wie ein Kind die eigene Welt auf den Kopf stellt, wissen alle Eltern unter den Weltenportal-Leser:innen. Um Zukunftsromane oder Fantasy zu schreiben möchte ich gedanklich in diesen Welten leben, aber momentan liegt meine Verantwortung bei meinen Studierenden und meiner Familie. Wenn mein Sohn irgendwann unabhängiger wird, blühen in meinem Kopf bestimmt auch wieder neue Geschichten.

Welches Buch hat dich zuletzt überrascht?
Das war „Nebby Dove“ von Veronika Carver, ein Steampunk-Einzelband über Aeronauten, Luftpiraten und vertikale Städte. Ich musste den Roman schon allein lesen, weil er eine Wissenschaftlerin zur Protagonistin macht (davon brauchen wir mehr! 😊), aber letztlich hat mich die Geschichte vor allem wegen ihrer starken Botschaft begeistert. In Veronika Carvers fantasievoller Welt geraten Tierwesen unterschiedlichster Arten mit den Menschen in Konflikt. Die Himmelsbiologin Tracy findet mit ihren bunt zusammengewürfelten Schicksalsgefährten jedoch einen Weg für friedliches Zusammenleben – und gemeinsam machen sie ihre Welt ein Stück besser. „Nebby Dove“ bearbeitet Themen wie Kolonialismus und Rassismus, vermittelt eine starke Botschaft für Diversität und Toleranz, und bewahrt sich bei aller Dramatik immer einen positiven Unterton.

Bei allem, was gerade so passiert, bist du Team Utopie oder Dystopie?
Christoph Grimm traf für mich den Nagel auf den Kopf, als er schrieb: „Dystopien sind am besten zwischen zwei Buchdeckeln aufgehoben.“ Bei den dystopischen Anmutungen im aktuellen Zeitgeschehen fühle mich gelegentlich, als würde das politische Geschehen meiner Romane teilweise von der Realität eingeholt. Wie mein Plädoyer für „Nebby Dove“ zeigt, wende ich mich als Leserin daher aktuell eher optimistischen Szenarien zu. Andererseits könnte man argumentieren, dass Dystopien gerade in komplexen Zeiten relevant werden – zeigen sie doch, wie mutige Einzelpersonen auch unter schwierigsten Umständen eine große Wirkung erzielen können.

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Instagram: https://www.instagram.com/erinlenaris/

Foto: Erin Lenaris (privat)

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