Interview Timo Kümmel
Nicht nur Autor*innen wollen über ihr Werk berichten, denn ohne Illustrator*innen würden wir Bücher gar nicht so wahrnehmen. Daher heute im Interview: Timo Kümmel
Wie bist du zu den Illustrationen oder überhaupt zum Zeichnen gekommen?
Eine kreative Veranlagung und die Sehnsucht nach anderen Welten ist wohl schon immer Teil meiner DNA gewesen, egal ob es nun ums Zeichnen, Schreiben oder plastische Gestalten ging. Schon im Kindergarten habe ich mit Stecksystemen lebensgroße Roboter gebaut, die ich auf Rollen begeistert durch die Gänge geschoben und mir epische Geschichten dazu zusammenphantasiert habe. Mühten sich die anderen bei kreativen Schreibaufgaben in der Grundschule mit ein, zwei Seiten ab, salbaderte ich mir heißblütig 12-16 aus dem Oberstübchen und fand kein Ende.
Auch gehöre ich noch zu der Generation, die zumindest die ersten zehn Jahre weitestgehend ohne moderne Technik aufgewachsen ist, und eben gemalt, gebastelt und sich ständig irgendetwas ausgedacht hat, anstatt sich von einem flimmernden Display berieseln zu lassen.
Als Teenager stieß ich durch Perry Rhodan aufs Fandom und veröffentlichte bald erste Kurzgeschichten und Illustrationen in kleinauflagigen Fanzines, die damals noch recht stümperhaft aber mit viel Liebe in Copy-Shops zusammengetackert wurden.
Parallel dazu legte ich die Gleise für meinen kreativen Weg, absolvierte die Fachoberschule Gestaltung, schloss eine schulische Ausbildung zum Holzbildhauergesellen ab und studierte schließlich Freie Malerei und Grafik an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Karlsruhe.
Aus unterschiedlichen Gründen brach ich mein Studium nach vier Semestern ab und machte mich kurz darauf als Illustrator selbstständig. Erste bezahlte Aufträge hatte ich schon während meiner Zeit in Karlsruhe, bis ich wirklich davon leben konnte, sollten aber noch etliche Jahre und unzählige Nebenjobs ins Land ziehen. Und selbst heute ist das Leben als freiberuflicher Künstler ein ewiger Spießrutenlauf am Rande des Existenzminimums – und angesichts der alles platt walzenden und tödlich parasitären KI-Seuche unter einem Goliat-Damoklesschwert, das mich jeden Moment filetieren könnte … aber lass uns keine Weltuntergangsstimmung verbreiten, davon haben wir dieser Tage schon genug.
Unter Buchliebhaber gibt es die Redensart „Ich habe es nur wegen des Covers gekauft“. Wie schätzt du es als Illustrator ein: Wie wichtig ist ein ausdrucksstarkes Cover?
Wenn keine treue Stammleserschaft bereit steht und den Titel hochhebt, ist es absolut elementar. Es ist die offene oder geschlossene Tür. Entweder springt der Funken durchs Cover über und man generiert den Moment an Aufmerksamkeit, um im Anschluss mit einem Versprechen von Inhalt, also dem Klappentext, überzeugen zu können, oder man wird die Menschen nur sehr viel später und mühsam durch Rezensionen, Mundpropaganda und Werbung erreichen können.
Wie kann man sich deinen Arbeitsalltag vorstellen?
Ich stehe meist zwischen 5 – 8 Uhr auf, und setze mich dann sofort mit einer Kanne schwarzen Tees vor den Rechner. Idealerweise, um die Arbeit am aktuellen Bild fortzusetzen, aber je nachdem natürlich auch, um wichtigen Papierkram, die Korrespondenz oder Gestaltungszuarbeiten für diverse Kleinverlage und Selfpublisher zu erledigen. Oder, wie eben jetzt, auch mal um 2 Uhr morgens, um ein Interview zu beantworten, weil ich nicht schlafen kann, was bei mir alle vier, fünf Tage vorkommt.
In meiner „Freizeit“ lese ich dann noch die ganzen Manuskripte und kümmere mich um die Meldungen in den sozialen Kanälen und auf meiner Page. Wenn ich unterwegs bin, habe ich meist meine Kamera dabei, um Motive und Strukturen zu sammeln, die ich vielleicht verwenden könnte.
In dem Sinne gibt es für mich weder Wochenenden noch Urlaub (wofür ich sowieso kein Geld hätte). Ich arbeite, wann es passt und möglich ist, bin dafür aber auch nicht an Werktage oder Uhrzeiten gebunden, wenn etwas anderes ansteht oder es halt gerade mal nicht läuft.
Wonach suchst du dir die Projekte aus, an denen du arbeitest?
In der Regel lehne ich nur sehr wenig ab, und das meist aus Zeitmangel oder weil wir nicht beim Honorar zusammen finden. Bei manchen passt der Inhalt aber auch einfach nicht zu mir, oder die Bildwünsche überhaupt nicht zu meiner Arbeitsweise und Motivsprache. Da versuche ich dann auf passende Kolleg:innen zu verweisen.
Wie ich auf deiner Homepage gesehen habe, hast du bereits mehrere Preise erhalten. Gibt es noch eine Auszeichnung, die du gerne erhalten würdest?
Mhm, die Preise für phantastische Kunst sind dünn gesät. Nachdem der Deutsche Phantastik Preis nun schon seit mehreren Jahren pausiert, gibt es da in meiner Wahrnehmung eigentlich nur noch den Kurd-Laßwitz-Preis und den Vincent-Preis. Für alle drei bin ich oft nominiert worden, die letzten beiden habe ich schon gewonnen, beim DPP bin ich zweimal auf dem zweiten Platz gelandet. Wobei sich das natürlich nicht abnutzt und ich mich immer wieder absolut geehrt fühle und riesig darüber freue, auch nur nominiert zu werden.
Aber unter dem Gesichtspunkt wäre es eine schöne Überraschung, wenn man mal jenseits des Genre-Fandoms wahrgenommen und eine Gestaltung einfach ob ihrer Wirkung und Ästhetik ausgezeichnet werden würde. Aber welche Preise es da gibt, wüsste ich überhaupt nicht zu sagen … bzw. fällt mir nur der Deutsche Jugendliteraturpreis ein. Den zu gewinnen, wäre tatsächlich ein absoluter Meilenstein. Für die Bronzeplastik von Momo würde ich mir als beseelter Bewunderer von Michael Endes Werk einen kleinen Schrein bauen. Schau an, da haben wir die Antwort, haha.
Hast du eine eigene Lieblingsillustration?
Es gibt immer mal wieder Bilder, die mir mehr bedeuten und auf die ich wirklich stolz bin. Ganz sicher zählt dazu das Cover meines Bildbandes VORSEHUNG – auch, weil es eben ein ganz eigenes Bild ist, keine Illustration zu Gedanken anderer. Dazu komme ich leider nur noch sehr, sehr selten, weil sich die Aufträge die Klinke in die Hand geben und die Miete bezahlt werden will. Daneben bin ich zuletzt sehr glücklich über mein Cover zu Michael Siefeners DER TEUFELSPAKT gewesen und mag fast alle meine Karten und insbesondere auch die Arbeit an diesen, weil ich da noch viel ursprünglicher und zeichnend herangehe. Als Beispiele seien hier meine aktuellste Karte für den Roman FLAMMENLIED – DIE VIER KÖNIGE Teil 1 von Bernhard Trecksel und das Vorsatzblatt zu Davide Morosinottos SHI YU ins Feld geführt.
Ich bedanke mich für das nette Interview, die spannenden Fragen und die Bühne, mich und meine Arbeit zeigen zu dürfen!
Timo Kümmel:
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Bildnachweise:
Cover zu Michael Siefeners DER TEUFELSPAKT, Atlantis Verlag (https://amzn.to/4bNOWzb)
Cover und Panoramabild zu Timo Kümmels VORSEHUNG, Atlantis Verlag (https://timokuemmel.wordpress.com/vorsehung-ein-bildband/)
Vorsatzblatt zu Davide Morosinottos SHI YU, Thienemann Verlag (https://amzn.to/48uzTaE)
Karte zu Bernhard Trecksels FLAMMENLIED – DIE VIER KÖNIGE 1, Piper Verlag (https://amzn.to/42QSMTW)
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