Interview Christian Endres
Wer die letzte Weltenportal bereits gelesen hat, kennt unser Fiktiv-Interview mit Christian Endres. Hier folgt eine weiteres mit dem Autor selbst.
Wie bist du zum Schreiben gekommen?
Nachdem ich als Kind genug Zeit mit Tolkien, Pratchett, Hobb, Gaiman, Superhelden-Comics, Zeichentrickserien und Magic-Sammelkarten verbracht hatte, wollte ich irgendwann eigene Geschichten schreiben. Angefangen habe ich mit Fanfiction zu „Star Wars“ und einer Fortsetzung von „Der Herr der Ringe“, allein für mein Vergnügen. Da war ich 12, 13. Etwas später folgten die frühsten Romanversuche. Als ich dann mit 17, 18 einige Geschichten bei Verlagen unterbrachte, gab es kein Zurück mehr. Außerdem musste ich irgendwann einsehen, dass mir für eine Karriere als „Spider-Man“-Zeichner doch das Talent fehlt …
Du bist in mehreren Genres anzutreffen. War das immer dein Wunsch oder hat sich das so ergeben?
Das hat sich so ergeben. Obwohl es natürlich schon damit zu tun hat, dass ich genau die Genres und Stoffe schreibe, die ich schreiben will. Es reflektiert irgendwo auch meine Reise als Buchmensch, als Leser: Am Anfang vor allem Fantasy und Sherlock Holmes, irgendwann immer mehr Science-Fiction, und schließlich ein Mix aus Fantastik und modernen Krimis.
Wenn du mehrere Ideen im Kopf hast, wie entscheidest du, welche du verfolgst?
Mittlerweile diktieren das die Deadlines, gerade bei den Romanen – und klar, teils auch die Verkaufszahlen der letzten Bücher. Dass ich mit Sherlock Holmes hierzulande nicht mehr so viel reißen werde wie zu Zeiten der Cumberbatch-Modernisierung und der Downey Jr.-Blockbuster, hat z. B. schon die eine oder andere Holmes-Romanidee schnell abgekühlt.
Ansonsten gibt es immer mal eine Science-Fiction-Kurzgeschichte, die so dringend geschrieben werden will, dass ich sie mir sozusagen gönne. Manche Ideen müssen aber auch ein, zwei Jahre oder länger warten. Da halte ich dann nur die Idee oder den Pitch schnell in einer Datei oder einer Mail an mich selbst fest.
Mit den „Prinzessinnen“ hast du eine Gruppe von Frauen erschaffen, die gänzlich Stereotypen widersprechen. Wie kam es zu dieser Romanidee?
Vor ein paar Jahren habe ich einen amerikanischen Fantasy-Roman über eine Gruppe Söldner gelesen, an dem mir vieles, aber nicht alles gefallen hat. Daraufhin wollte ich sehen, wie ich das Ganze angehen würde. Und als ich über die Figuren und den Namen der Truppe nachdachte, dauerte es nicht lange, bis sich die knallharten, eingeschworenen Ex-Königstöchter als Prinzessinnen auf die Bühne drängten, wie das eben so ihre Art ist. Mich hat es sofort gereizt, mit ihnen die Tropen von Fantasy, Märchen und Disney aufzumischen und zu verdrehen.
Das erste Kapitel von „Die Prinzessinnen: Fünf gegen die Finsternis“ ist bis auf das übliche Polieren übrigens noch immer das „Testshooting“, also die erste Szene, die ich je mit der Gang geschrieben habe, um zu sehen, welchen Sound und welche Charaktere ich da überhaupt habe, und wo die Reise hin geht …
Wobei fühlst du dich wohler: Roman oder Kurzgeschichte?
Vor knapp zehn Jahren hätte ich da sofort „Kurzgeschichte“ geantwortet. Inzwischen habe ich aber auch genug Erfahrung und Spaß mit Romanen, sodass ich klar sagen kann: Kommt drauf an. Es hängt heute definitiv von Idee, Genre, Thema, Plattform ab. Ich denke, es gehört an fundamentaler Stelle zum Autorenjob dazu, das passende Format für eine Idee zu spüren.
Richtig interessant wird es dann, wenn aus abgeschlossenen und sogar schon veröffentlichten Kurzgeschichten irgendwann Roman-Plots werden.
Wie stehst du dazu, als Autor selbst zu lesen? Meinst du fremde Autoren beeinflussen das eigene Schreiben zu sehr?
Stephen King, Don Winslow und Co. haben da schon absolut recht: Wer schreiben will, muss lesen, viel und vielfältig – und wir alle fangen als Lesende an, und beim Schreiben ferner als Imitatoren. Ich kann mir ein Leben ohne Bücher auch nicht vorstellen. Nichtsdestotrotz kenne ich selbst Phasen, da ich meine Schreibe, meinen Stil vor fremdem Einfluss schützen möchte.
Dann weiche ich vorübergehend auf ein ganz anderes Genre aus, oder auf englische Romane und Kurzgeschichten, oder auf Comics.
Welche Projekte stehen bei dir in nächster Zeit an?
Im Mai erscheint mein Roman „Wolfszone“ bei Heyne, eine Mischung aus Krimi und Near-Future-SF. In „Wolfszone“ muss Privatdetektiv Joe Denzinger die verschwundene Tochter von Deutschlands reichster Waffenfabrikantin finden – und zwar in der Nähe eines vom Militär abgeriegelten Waldes in Brandenburg. Dort haben Nanobots ein Rudel Wölfe in riesige Cyborgs verwandelt, was für viel Aufruhr sorgt. Bei seinen Ermittlungen kommt Joe unweigerlich Soldaten, Gangstern und Umweltaktivisten in die Quere. Weitere Perspektiven auf die Wolfszone bieten eine Wissenschaftlerin, eine Drogenschmugglerin und ein unter PTBS leidender Maschinenwolf mit KI im Blut.
Die ersten Science-Fiction-Kurzgeschichten für 2024 sind auch schon in der Pipeline und werden über die nächsten Monaten in „Spektrum der Wissenschaft“, „c’t –magazin für computertechnik“ und „Exodus“ veröffentlicht. Da muss ich meine Pools also demnächst mal wieder mit neuen Storys auffüllen. Darüber hinaus schreibe ich aktuell am dritten, natürlich wieder eigenständig lesbarem Band von „Die Prinzessinnen“.