Interview Dieter Korger
Heute steht uns Dieter Korger Rede und Antwort.
Wie bist du zum Schreiben gekommen?
Wie wahrscheinlich die meisten: durch viel Lesen – einerseits Bücher, anderseits Comics. Von beidem konnte ich zu Schulzeiten nicht genug bekommen. Darüber hinaus habe ich schon früh angefangen, mir selbst und anderen Geschichten zu erzählen. Die konnten epische Längen entwickeln. So ab dem zarten Alter von vierzehn Jahren fing ich dann an, Geschichten aufzuschreiben. Eine war über hundert Seiten lang, alles handgeschrieben, mit dem Füllfederhalter. Und gleich volle Kanne Science-Fiction mit Fantasy. Mit Ende der Schule war dann klar, dass ich in Richtung Journalismus und Publizistik gehen wollte. So kam eins zum anderen, und das Schreiben und Redigieren hat nie aufgehört.
Wie integrierst du das Schreiben in deinen Alltag?
Das ist heute kein großes Problem mehr. Ich bin seit wenigen Jahren selbständig unterwegs und beschäftige mich nur noch mit Dingen, die mir intrinsisch Spaß machen und guttun. Während meiner langen Zeit als angestellter Redakteur bzw. Unternehmenskommunikator sah das anders aus. Ich hatte wenig Zeit fürs private Schreiben. Für meinen ersten SF-Roman, »Anschlag im Fegefeuer«, habe ich fünf Jahre gebraucht, für meinen 2021 erschienenen Zeitreiseroman »Cyprus Tower« gar über zehn Jahre. Da gingen viele freie Tage, Wochenenden und vor allem schlaflose Nächte für die Buchprojekte drauf.
Mit welcher deiner Geschichten sollte man beginnen, wenn man noch nichts von dir gelesen hat?
Die Frage bekomme ich derzeit immer wieder. Als door opener bietet sich wahrscheinlich »Nur ein Werbespot!« in der Anthologie »Ferne Horizonte – entfernte Verwandte« an. Die Story hat doch eine gewisse Aufmerksamkeit erhalten, die ich beim Verfassen nicht für möglich gehalten hätte.
Wer aber nicht die ganze Anthologie kaufen möchte, was natürlich schade wäre, dem empfehle ich ganz offen »Cyprus Tower«. Der Roman ist rein als E-Book erhältlich und äußerst günstig zu erwerben.
Und es ist das Werk, auf das ich persönlich am meisten stolz bin, es herausgebracht zu haben.
Was ist dir wichtiger: Unterhaltung oder Moral?
Ich habe so eine Ahnung, warum du mich das fragst. Vermutlich wegen »Nur ein Werbespot!«. Ja, da geht es um die endlose Geldgier, für die manche Menschen glauben, jegliche Grenzen ungestraft übertreten zu dürfen … mit einer final fiesen Moral von der Geschicht´.
Es geht mir jedoch in keiner meiner Geschichten um Moral. Sie sollen in jedem Fall unterhalten, ganz klar! Wichtig ist mir zudem, dass die Storys eine Relevanz für die Welt von heute haben. Science-Fiction ist für mich, und da bin ich wohl nicht allein, vor allem ein Spiegel aus der Zukunft auf die Welt von heute. Deshalb findet sich in den meisten meiner Geschichten ein politischer bzw. gesellschaftspolitischer Bezugsrahmen, der den Lesenden eine Einordnung anbietet. Allerdings darf der Rahmen nicht den Plot bestimmen. Im Vordergrund steht immer die Unterhaltung.
Was schreibst du lieber: Romane oder Kurzgeschichten?
Aus heutiger Sicht definitiv Kurzgeschichten, denn ich brauch nachts mittlerweile mehr Schlaf … Doch im Ernst: Kurzgeschichten geben mir die Möglichkeit, innerhalb weniger Monate verschiedene neue Welten und Plots auszuprobieren. Ob die Geschichten dann genommen werden oder nicht, ist für mich erst mal zweitrangig. Klappt eine Story nicht, lege ich sie auf Eis und arbeite an der nächsten. In meinem Ideenkasten liegen noch zahlreiche bekritzelte Blätter, die um Beachtung winseln.
Mit wem würdest du einmal gerne zusammenarbeiten?
Kommt darauf an. Gemeinsam eine Geschichte zu schreiben, ist mir bisher nicht in den Sinn gekommen. Wäre aber gewiss ein interessantes Experiment. Dafür müsste man sich gegenseitig ein bisschen besser kennen und wissen, wie die oder der andere tickt, damit was Gutes bei rauskommt. Namen hätte ich sogar im Kopf, aber die behalte ich lieber für mich.
Wenn es um Lektorat und Redaktion geht, mache ich seit letztem Sommer interessante Erfahrungen mit dem Magazin ›Exodus‹. Zunächst bin ich in die Schlussredaktion eingestiegen. Für die kommende Ausgabe bin ich dann zusätzlich von René Moreau als Lektor angefragt worden. Es ist spannend, mit den drei Herausgebern und den verschiedenen Autorinnen und Autoren zusammenzuarbeiten. Gerade dann, wenn ich bei Texten stärkeren Nachholbedarf sehe. Der Austausch zu den Storys ist jedenfalls immer sehr angenehm und führt definitiv zu besseren Endergebnissen.
Dystopie oder Utopie: Wie siehst du Zukunft der Science Fiction?
Ob nun in Form von Dystopien oder Utopien – das Genre fristet in Deutschland eher ein Nischendasein. Der Markt ist klein; die Deutschen stehen eher auf Krimis. Interpretiere ich deine Frage hingegen danach, ob die Science-Fiction in Deutschland eher eine dystopische oder utopische Zukunftsperspektive hat, würde ich mich auf die Seite der Utopisten schlagen. Ich sprach vorhin von der Relevanz, die SF für uns als Gesellschaft haben kann, wenn sie als hochgerechnetes Abbild unserer Zeit in der Zukunft fungiert. Kreative Köpfe wie Aiki Mira mit »Neongrau« und »Neurobiest« oder Theresa Hannig mit »Pantopia« liefern dafür allerbeste Beispiele.
Die deutsche Science-Fiction sollte sich nach außen viel mehr Gehör verschaffen. In Think Tanks in den USA oder China, die sich der wissenschaftlichen Erforschung der Zukunft widmen, sitzen regelmäßig Science-Fiction-Autorinnen und -Autoren mit am Tisch. Das passiert hierzulande noch zu wenig.
Ein ungewöhnliches Projekt, das in die gleiche Richtung geht und zu dem ich mich mit einer Story einbringen konnte, hat das NATO Defense College in Rom ins Leben gerufen. Das Ergebnis wird eine Graphic Novel sein, die im Juli zum 75. Geburtstag der Allianz erscheinen und die mögliche Entwicklung der Weltlage bis 2099 aufzeigen soll. Jeder Teilnehmende durfte in einer eigenen Shortstory völlig frei darstellen, was er oder sie sich vorstellt. – Auf das Gesamtergebnis im Comic-Format bin ich wahnsinnig gespannt.